Samstag, 23. Juli 2011

Der Anruf

 

Nachdem du nun vergangenen Dienstag beschlossen hast, keine Zeit mehr zu haben, musste ich mich mit dieser Aussage auseinander setzen und nicht versuchen, deine Nähe zu suchen.
Ohne Auto ist das ganz einfach dir nicht zu begegnen und wenn ich im Facebook den Chat wegklicke, bemerke ich dich dort auch kaum.

Die Gedanken allerdings bleiben, ebenso die Träume und die Gefühle, die plötzlich da sind.
Das alles kannst du mir auch nicht nehmen.

Das ich jetzt irgendwie neben mir sitze, mich von oben betrachte, aus mir nicht schlau werde und keinen Boden unter den Füßen, sondern nur Kälte, spüre, habe ich dir zu verdanken.

Ich sollte zum Punkt kommen, aber die Situation wiederzugeben fällt unendlich schwer.
Mein Kopf versucht jetzt schon zu verdrängen, es als unreal darzustellen.
Nur der schmerzende Schädel und die brennenden verheulten Augen erinnern an die vergangenen Stunden.

In einer ruhigen Minute saß ich heute am späten Nachmittag in der Pizzeria.
Meine Kollegin fummelte irgendwo an den Blumentöpfen, als das Bestelltelefon klingelte.
Bis dahin alles normal, ab da alles anders…

Auf die Nummer auf dem Display schaute ich nicht, ging ran, meldete mich freundlichst und hielt Stift und Zettel bereit.

„Hier ist V……s aus N……. …“

Der Fabelhafte!

Wie ich die Bestellung aufs Papier bekam ist mir schleierhaft.
Was Körperbeherrschung bedeutet, ist mir jetzt allerdings umso klarer.

Ich lauschte deiner Stimme, wie sie die kleine Bestellung aufgab.
Mein ganzer Körper zitterte und ich versuchte nur, mich stimmlich zu fassen und weiterhin freundlich den üblichen Werdegang durchzugehen.

Zum Abholen oder Liefern fragte ich dich.
Geliefert wolltest du haben, ok das ist neu.
Normalerweise kommst du abholen…du willst mich nicht sehen, dachte ich mir.
Fragte nach deiner Hausnummer, du antwortetest gleich mit Straßennamen, worauf ich erwiderte, dass dieser mir durchaus noch bekannt ist.

Am anderen Ende wurde es ruhig, ich nutzte deine Sprachlosigkeit, um dir die eventuelle Lieferdauer durchzugeben und mich höflich zu verabschieden.
Die nächsten Minuten sollten ein Ritt über den Vorhof der Hölle werden.

Der Versuch, die Daten auf den Bestellzettel zu übertragen, scheiterte kläglich.
Ich bebte.
Innerlich, äußerlich, alles um mich herum drehte sich, ich schrie nach der Kollegin und rannte aus dem Geschäft.

Was der Sicherheitsdienst in der Ladenstrasse oder die vorbeilaufenden Fußgänger dachten, war mir relativ egal.
An der Mauer gelehnt, ließ ich die Tränen laufen, die schmerzhaft aus mir rausschossen, nicht liefen, schossen.

Irgendwann dazwischen, davor, danach - ich weiß es nicht - kam eine deutlich hilflose SMS von dir.
Ich blieb kühl.
Du hättest mich an der Stimme nicht erkannt.
Tja kann passieren….so meine Reaktion.

Wieder heulend saß ich erneut vor dem Geschäft, als das Chef-Paar vorbeilief.
Sie kehrten um und fragten nach dem Grund meines Zustandes.
Nach einer kläglichen Erklärung bzw. dem Versuch dessen, lieferten sie für mich zu euch.
Ich hoffe inständig, dass sie dir gegenüber nichts angedeutet haben, was mit mir los war.

Die SMS nahmen ihren Lauf, die Tränen ebenfalls.
Ich solle nicht bockig sein.
Bockig?
Kerl wenn du mich hättest sehen können!

Dass eure Lieferung unterwegs ist teilte ich dir noch mit, bevor ich das Handy erneut unter den Tresen schmiss.
Den Schaden hat es eh nur wegen dir, es flog zu oft und doch traf ich dich nie damit.

Deine Stimme zu hören, nahm mir die Luft.
Nur noch ein Lauschen meines Inneren war spürbar.
Die Reaktion meines Körpers ein Schauspiel.
Ein Film ohne Happy End.


Ich liebe dich doch nicht, will auch nicht verliebt sein.
Du tust mir nicht gut, du gehörst nicht zu mir und überhaupt sollte es nur ein Spiel auf Zeit werden.
Das Spiel lief lang, 8 Monate, ich verlor und du hast nichts gewonnen.

Und doch frage ich mich, warum dir die Stimme versagte, warum sich dein Gewissen meldete.


23.07.2011 / 00:53 Uhr