Sonntag, 18. September 2011

Gedankensprünge


In den letzten 7 Tagen ist viel geschehen, allerdings fehlen mir noch immer die Worte, um das Erlebte zu beschreiben, um darin einen nachvollziehbaren Charakter einzubauen.
Irgendwie nimmt mir der Alltag die Kraft dazu.
Ich mag die Erlebnisse nicht zerreden, nicht in Wirrwarr hüllen oder übertrieben klingen lassen, obwohl sich alles so abgespielt hätte, wie ich es niederschreiben würde.

Aber eine kurze Zusammenfassung ist sicherlich irgendwie möglich, auch wenn dies wahrscheinlich Tage in Anspruch nehmen wird.

Samstagnachmittag vor einer Woche bekam ich vom „Benz“ eine SMS, das wir, wenn ich Lust und Zeit habe, am nächsten Tag an die Ostsee fahren könnten.
Früh um 5 Uhr wohlgemerkt.
Ab dem Moment verfiel ich dezent in Panik, denn natürlich wollte ich, war ja auch schon vor Wochen schon ausdiskutiert worden.

Gefühlte 1000 mal packte ich meine Tasche ein und aus, stellte fest, dass sie zu klein ist, die Größere war wie durch Zauberhand verschwunden und überhaupt funktionierte ab diesem Moment nichts mehr bei mir.
Nicht mal das Schlafen, denn nach einer Stunde hin- und herwühlen, saß ich wieder angespannt und aufgeregt am Laptop.

Tag 1:
Es wurde halb 5 Uhr morgens, ich schickte ihm schnell noch eine SMS, dass ich eine Viertelstunde länger brauche.
Glücklicherweise weckte ich ihn erstmal mit der Nachricht.
Bepackt wie ein Flüchtling (allerdings immer noch mit der kleinen Tasche) saß ich dann wartend auf der Rasenkante vor dem Haus.

Er schien dann auch endlich, wir packten meinen Kram ins Auto und ich konnte feststellen, dass er nicht minder aufgeregt war.
Die Fahrt war herrlich entspannend, lustig und unterhaltsam.
Wir diskutierten über alles und jeden, rauchten zuviel und nahmen uns vor, zwischendurch mal mein Frühstückskörbchen zu leeren.

Dazu hätte er mal an einem Rastplatz o. ä. halten müssen, tat er aber nicht…aber beim nächsten Platz dann, ist klar, tat er auch nicht.
Die Zeit verging wie im Flug und kurz nach 10 Uhr standen wir in Karlshagen auf einem Parkplatz.
Ein schnelles Frühstückspäuschen wurde eingelegt, ich zog mich Dank der Sommertemperaturen spontan um und dann wanderten wir 100m über die Strasse und plötzlich…Sand, Sonne, Meer.

Ich hätte quieken können vor Freude, tat es nicht, wegen dem guten Eindruck, aber innerlich jubelte die ganze Frau.
Schuhe aus, quer durch den Sand und ab ans Wasser, vorsichtig einen Fuß rein…einfach herrlich.

Leider hatten wir noch keine Unterkunft, also ging es sehr schnell zum Auto zurück um noch ein Schlafgemach für die kommenden Tage zu ergattern.
Dies geschah ebenfalls schneller als gedacht, auch wenn die Hausmutti erstmal ein wenig garstig war.
Allerdings verdanke ich der Frau einen Tag mehr Meer.

Da wir eine komplette Ferienwohnung mit allem Schnickschnack hatten, gestaltete sich auch die Zimmerwahl ziemlich einfach.
Jeder nahm ein Schlafzimmer, er bezahlte noch fix und schon flogen die Taschen in die Ecken, Badezeugs an und zurück an den Strand.

Ruhe zog irgendwie nicht ein, außer als jeder von uns mal abwechselnd ins Wasser ging.
Ansonsten hielt das muntere Geplapper an.
Irgendwann mussten wir dann doch nach Stunden diesen warmen weichen Boden verlassen und unseren Hunger stillen.
Erst fürs Frühstück fix einkaufen gegangen und dann noch schneller ab ins nächste Restaurant. (nachdem ich die versprochene Postkarte noch organisiert hatte)

Gegen 20 Uhr waren wir zurück im Ferienhaus, rein, den Sand krampfhaft versucht loszuwerden und TV an.
Ich murmelte nur lachend, dass ich mir grad wie 40 Jahre lang verheiratet vorkomme, kaum drin in der Bude läuft auch schon die Glotze.
Er musste genauso lachen, plumpste auf die Couch und gut war.

Der Abend nahm jedenfalls noch einen wunderbaren Ausklang.
Nur leider meine Nacht nicht.
Denn als ich mir mein Bett mal richtig ansah, stellte ich verzweifelt fest, das es weder über Kopfkissen noch Decke verfügte.

Der Fetzen, der sich als Decke tarnte, war die Verarsche des Jahres.
Da half auch der Lappen vom 2ten Bett nicht wirklich viel.
Ich schnappte mir also noch die Sofadecke und versuchte mir aus den 3 Taschentüchern ein Nachtlager zu basteln.
Glücklicherweise hatte er ja das doppelt bestückte Ehebett.

Tag 2:
Als er am nächsten Morgen in mein Zimmer stürmte und nach der Uhrzeit fragte, muss ich wohl einen recht seltsamen Anblick geboten haben.
Er verzog sich jedenfalls ziemlich rasch wieder in seine Ecke und ließ mich brummen.
Ich stampfte dann irgendwann dem Aufstehen entgegen, bereitete langsam das Frühstück vor und schaute mir in Ruhe die Gilmore Girls an, danach 1 Stunde im Garten wartend.

Irgendwann kam das Herzl geschlichen und fragte doch tatsächlich, ob ich evtl. eine Decke bräuchte.
Naja, ich als netter Mensch erdolchte ihn lachend mit Blicken und neckend endete auch die Mahlzeit.
Schließlich hatten wir ein dickes Tagesprogramm.

Wir landeten anderthalb Stunde später in Stralsund und schlenderten staunend und fotografierend durch das Deutsche Meeresmuseum, anschließend durch das Ozeaneum und letztlich über den Hafen, wo wir bei einem als Clown verkleideten Imbissmenschen unsere fangfrischen Fischsemmeln vernaschten.

Was wir in den Museen miteinander zu lachen hatten, gibt’s wirklich in keiner Comedysendung.
Das lag allerdings daran, dass ich einfach nicht lesen kann, und das, was ich las, nie dort geschrieben stand.
Selbstverständlich zwinkerte mir auch eine tote Seemöwe zu und irgendwann saßen wir lachend auf dem Fußboden im Museum, welchen ich natürlich auch fotografieren musste.

Zwischendurch entdeckten wir am Benz noch einen ordentlichen Strafzettel wegen was auch immer.
Da parkt man schon mit einem Mercedes auf der Judenstrasse und prompt gibt’s Ärger.
Den Witz daran kann eigentlich nur er verstehen.
Schließlich hat er auch die Aktion in der Poststelle halbwegs mitbekommen, als man da für eine Postkarte 34 Reichsmark löhnen sollte.

Auch der Abend endete vorerst auf der Couch vorm TV…nicht lange, dann wurde es interessanter.
Lag es am Wein oder sonst was, aber die Lachkrämpfe unsererseits mussten die halbe Nachbarschaft wach gehalten haben.
Ab und an liefen ihm schon die Tränen, wir plumpsten von der Couch und alles in allem fanden wir trotzdem noch Zeit zum Film auswerten und Fotos gucken.

Mittlerweile hatte auch mein Handy einen glühenden Bereich erreicht, denn ich fragte mal beim Fabelhaften an, ob alles in Ordnung sei.
So erfuhr er auch erstmal, dass ich nicht mehr in der Heimat war.
Ich bekam noch Decke und Kissen und konnte endlich wie ein Mensch schlafen, der Tag war geschafft.

Tag 3:
Der gleiche Zirkus wie am Vortag, nur dass ich zu zeitig wach wurde durch Räucherfischgeruch und Wildvögeln (Zwitzscherdinger) irgendeiner Gattung.
Diesmal duschte ich extra laut, damit das Schnuckel auch munter wird, aber irgendwie ging mein Plan nicht ganz auf.

Als er wach werdend in der Wohnküche erschien, hatte ich schon den größten Teil des Streits mit dem Fabelhaften hinter mir.
Seine Eifersüchteleien waren nicht von schlechten Eltern und ich stritt auch nichts ab oder log ihn an.
Warum auch, letztlich bin ich ein freierer Mensch als er, der Fabelhafte.

Wir fuhren nach Zinnowitz und er zeigte mir dort die Promenade, die Touristenmeile, die Seebrücke mit Tauchglocke.
Es stürmte ohne Ende, ich krampfte mich als Halt an seinem Schlüsselband fest, um wenigstens irgendwo angebunden zu sein.
Selbst die Hunde krochen fast mit den Bäuchen über die Brücke.

Ich war froh, als wir von dem Teil runter waren und ich sandigen Boden unter den Füßen fühlte.
So entschlossen wir uns auch, die wahrscheinlich vorerst letzten Sonnenstrahlen noch mal für unseren Strandteil zu nutzen.
Sodann ging es auch rasch zum Auto zurück, bewaffnet mit Nahrung von unterwegs, um den Plan in die Tat umzusetzen.
Es war ein herrlicher Strandnachmittag, nicht sehr warm, irgendwie ohne Wasser, da sich die Ostsee Richtung Rügen verlagert hatte, aber dennoch sehr gelungen.
Denn auch da lachten wir uns wieder krumm und schief, kugelten uns durchs Wasser, durch den Sand, hüpften von Sandbank zu Sandbank und versuchten nicht existierende Fische zu fangen.

Es machte irrsinnig Spaß, den Kerl bei seinen Verrücktheiten zu beobachten.
Das Gehampel, die Verspieltheit und die Echtheit seines Wesens waren sehr beruhigend.
Wir spazierten ewig durch das Wasser, fotografierten, posierten, spielten und sponnen.

Leider zog ziemlich schnell ein kalter Wind auf und wir beschlossen, erstmal zurück ins Haus zu fahren um dann weiter zu sehen, was wir mit dem Abend anfangen könnten.
Nach dem Duschen und dem Essen tat er mir noch einen Riesengefallen.
So wie ständig eigentlich.

Wir fuhren noch an den nahegelegenen Hafen um den Sonnenuntergang zu betrachten, auf das ehemalige Militärgelände, um Hitlers erste Rakete zu bestaunen, die alten Flugzeuge zu betrachten und die Minenfelder zu umkreisen.
Eigentlich wollte er mir das U-Boot zeigen, was er kannte, welches aber erst am nächsten Tag entdeckt wurde.

Denn bei der abendlichen Fotoauswertung stellten wir entzückt fest, dass ich für mein Handy doch eine Internetkarte habe.
Naja, man kann ja nicht an alles denken.
Wir schafften es an dem Abend sogar mal, gemeinsam die Sofadecke zu nutzen.
Von blauen Flecken rede ich mal nicht.

Auch gut, dass manche Situationen nur in unserem Gedächtnis bleiben werden, da ich diese sicherlich nicht öffentlich niederschreiben werde, auch wenn der Lepra-Witz einen Orden verdient hätte.
Letztlich war es auch unsere letzte gemeinsame Nacht an diesem Ort.
Keiner von uns wollte freiwillig von der Couch runter, um ins Bett zu gehen, zu schlafen und die harmonische Ruhe vorzeitig zu unterbrechen.

Wir nutzen jede Sekunde intensiv um alles zu genießen, was an Möglichkeiten geboten wurde, egal ob es die Ausflüge betraf oder die Zweisamkeit.
Und ja, es war Harmonie pur.
Man verstand sich blind, einer ergänzte den anderen im Denken und Tun, es bestand Einigkeit ohne geringste Diskussionen und Spaß und Freude gab es eh in jedem Moment des Wachseins.
Es war einfach PERFEKT, ein Dreamteam, ohne Frage.

Tag 4:
Meine Laune kippte schon zum Frühstück dezent ab.
Er hatte liebevoll den Tisch gedeckt, ich das Fehlende ergänzt, den Abwasch schon im Spüler gestapelt und trotzdem blieb der Morgen sehr ruhig.
Wir wussten, dass unsere Tagespläne vor der Abfahrt reichlich sind, aber in Gang setzte ich mich nicht wirklich.

Das morgendliche Reden übernahm er, beim Essen und auch im Garten beim Rauchen.
Ich erwähnte mit Nachdruck, dass ich NICHT heim möchte, worauf er begann, dem Ascher sein Leid zu klagen.
Lachen konnte ich darüber nicht, auch wenn der Anblick herzzerreißend süß war.

Ich verzog mich nach draußen auf die Straße, lehnte mich an die Laterne, schaute mir noch einmal die Gegend an und weinte leise vor mich hin, in der Hoffnung, dass er zwischenzeitlich ins Haus verschwinden möge.

Er blieb sitzen und wartete stillschweigend, gab mir die Zeit, Abschied zu nehmen.
Wir gingen gemeinsam ins Haus, zogen uns vielschichtig an, setzten uns ins Auto und fuhren noch einmal nach Peenemünde.
Nur diesmal gleich zum Maritim Museum, wo sich tatsächlich das alte U-Boot befand.
Der Sturm zog und schob uns fast ins Meer, trotzdem blieben wir lange an dem alten Schmuckstück und nutzen die Zeit für ein paar letzte Fotomomente.

Von da aus ging es sofort zur Schmetterlingsfarm, in der wirklich tropisches Klima herrschte, danach ins Kopfstehhaus, wo mich leichte Seeübelkeit überkam.
Danke an die Konstrukteure dieses Wunderwerkes.
Die meiste Zeit schwiegen wir, er spürte meine Traurigkeit und ließ mich die letzten Eindrücke genießen.

Das Aufräumen und Packen gestaltete sich dagegen schwierig, er versuchte mich des Öfteren zum Lachen zu bringen, was nicht richtig gelang.
Ich schloss mich im Bad ein, ningelte mich aus um nicht vor ihm in einen Wasserfall auszubrechen.

Die Rückfahrt verlief auch größtenteils sehr ruhig, ab und an schniefte oder seufzte ich vor mich hin, er streichelte mich dann zur Beruhigung, aber die Stimmung der Hinfahrt kam nicht auf.
Wenigstens hatte er sich sehr, sehr schnell an meinen Musikgeschmack gewöhnt und wunderte sich nur, dass ich selbst die kuriosesten Schlager mitsingen konnte.
Man kam in fast verfängliche Beziehungsgespräche, was ehemalige Partner betrifft oder evtl. Zukünftige.

Ich gestand ihm, dass er seit vielen Jahren die erste Person war, mit der ich 24 Stunden am Tag für so lange Zeit verbrachte.
Er war erstaunt, freute sich aber über das ihm entgegengebrachte Vertrauen.
Die Heimfahrt verging für mich zu schnell, ich krauchte immer weiter in den Sitz, je näher wir meinem Zuhause kamen.
Da half dann auch kein Kraulen und Knuffen mehr, das Ende war absehbar.

Vor der Hautür ging es dann doch relativ kompliziert vorwärts, aber was soll ich machen, bin nunmal eher emotional als kopflastig.
Was ich damit anrichtete, erfuhr ich allerdings erst am nächsten Morgen.

Das Heimkommen war schockierend, die Wohnung leer, niemand da, um die Tagesfotos auszuwerten oder um mit unter die Sofadecke zu kuscheln.
Stille, abgrundtiefe Ruhe.

Der Fabelhafte schrieb, wollte wissen, ob ich schon wieder da wäre.
Ich klagte mein Leid, worauf er meinte, dass eine derartige Depristimmung nur mit hemmungslosem Sex zu bekämpfen sei.
Na danke, kein Bedarf.
Er bettelte noch eine Weile und dann gab ich ihm zu verstehen, dass mein Interesse nicht vorhanden sei - nicht an Sex, nicht an ihm.

Und nun?
Nun ist die letzte Urlaubswoche rum und ich steh zwischen den Stühlen, zwischen der Entscheidung „ja“ und „nein“.
Ich kann ohne ihn leben…
Doch will ich das wirklich?

Die Harmonie der letzten Tage hat mir jedenfalls gezeigt, dass ich einen gewissen Halt brauche, den ich bei ihm nicht finden werde.
Somit war es nicht nur ein Urlaub der umwerfenden Art, sondern auch eine Reise der Erkenntnis.

18.09.2011 / 14:32 Uhr